Mit den Bäumen Verschüttetes in Erinnerung zurückrufen

Etwas Entspannendes behalten auch in Krisenzeiten diese Fastnachtstage. Vielleicht ist es nach Jahren von der Pandemie geprägter Vorsicht auch erstmals wieder möglich, einigermaßen frei der Tradition und ihren Ritualen nachzugehen. Jedenfalls kann ich da eine Veränderung feststellen, die gefühlt an die Atmosphäre früherer Jahre anknüpft. Leider bleibt der Krisenmodus gleichzeitig latent vorhanden, so dass man wohl davon ausgehen kann, dass die Krisenroutine nach den tollen Tagen in eine neue Runde eintreten wird. Vielleicht dann ja von etwas Entlastung erleichtert und handhabbarer als zuletzt. Ich wünsche mir für die nächsten Monate wieder mehr Anknüpfungspunkte für neue Projekt, mehr Zuversicht und Mut auch bei den Projektpartnern. Denn ohne die wird es gerade in Deutschland zunehmend reduziert vorangehen, ohne die werden wir uns Potenzial nicht mehr ausschöpfen können. Mut zur Individualität und selbstbewussten Besonderheit bei dem gleichzeitigen Bewusstsein einer Zugehörigkeit zu einem Kollektiv, mit dem uns vieles verbindet, können wir ganz eindrucksvoll von den Bäumen lernen. Oder uns im Angesicht der Bäume und ihres unbändigen Lebenswillens, ihrer Zähigkeit und Ausdauer in und an uns selbst wieder in Erinnerung rufen. Denn all das war nie verschwunden, es ist uns in diesen Zeiten nur zunehmend aus dem wachen Bewusstsein verschwunden.

Individuelles Gleichgewicht als Lehre der Bäume

Die Arbeit an der Aktualisierung der Datenschutzerklärungen und Consent Tools wird mich noch eine ganze Weile beschäftigen. Einen Teil der Projekte habe ich diesbezüglich aktualisieren können, andere stehen noch aus. Auch wenn diese Maßnahmen z. T. übertrieben scheinen, sind sie in diesen unsicheren Zeiten wohl ein Beitrag zu einem Gefühl von mehr Sicherheit. Die kreativen Anteile der Arbeit kommen dennoch nicht zu kurz, sowohl inhaltlich als auch gestalterisch. So gelingt es mir immer wieder, ein gesundes Gleichgewicht herzustellen, ein Bereich, in dem ich in den letzten Jahrzehnten tatsächlich deutlich hinzulernen konnte. Auch wenn ich das schon häufig hier erwähnt habe – es ist einfach eine sehr wichtige Tatsache – die Beschäftigung mit den Bäumen und ihrer unvergleichlichen Individualität bei gleichzeitiger Zugehörigkeit zu einer Art kann uns sehr helfen, Gleichgewichte aufrechtzuerhalten oder verloren gegangene wiederherzustellen. Die Bäume sind uns auf dem Gebiet weit voraus.

Lernvorgänge anstoßen

Aktuell ist das Denken durch künftige Termine geprägt. Man wünscht sich alles Mögliche herbei, v. a. das Ende der Krise und alles, was damit an Einschränkungen und Demotivationen zusammenhängt. Da besteht schon die Gefahr, das gerade Präsente nicht mehr wertzuschätzen, es sich quasi auf Verdacht als minderwertig oder vom Krisendenken kontaminiert zu denken. Ich bemühe mich dagegen, gerade diese Zeit zu nutzen, genauer hinzusehen, wie wir mit ungewöhnlichen und nie erlebten Situationen umgehen und was daraus an fortschrittlichem Handeln und Denken abzuleiten ist. Es ist nicht ausgeschlossen, dass uns solche unfreiwillige Übung auch weiterbringt. Zurzeit vielleicht nur zum Durchhalten, aber künftig vielleicht als Strategiepool für Stresssituationen. Konkrete Lehren zu identifizieren, fällt schwer. Wir werden den Sinn und Nutzen erst später richtig erfassen können. Aber bewussteres Hinsehen und der Blick für die Differenzierungen, wie ich es seit Jahren im Beobachten der Bäume im Jahreslauf praktiziere, kann dabei Veränderungen und Lernvorgänge anstoßen.

Lebendige Eindrücke und Reminiszenzen

An diesem Samstag hatte ich zunächst die Möglichkeit, meiner früheren Lehrerin die letzte Ehre zu erweisen. Sie gehörte zu den Pädagogen, die bei mir wirklich einen positiven Eindruck hinterlassen haben. Wenn ich an alte Lehrer denke, ist sie jedenfalls immer die erste gewesen, an die ich dachte. Es war diese unkonventionelle, die Eigeninitiative fördernde Form von Unterricht, die damals zusätzliche Energien freigesetzt hat. Ich denke, auch die damaligen Kollegen sahen und sehen das ähnlich. Schade, dass der Kontakt nun schon sehr lange nicht mehr bestand. Die gemeinsame Lebenszeit, das Stimmige darin und seine Wirkungen auf das Leben aber bleiben. Dem Leben im Garten habe ich mich am Nachmittag wieder zugewandt. Es war jetzt der Freiraum, die wuchernde Efeuhecke zurückzuschneiden. Zum wiederholten Mal für dieses Jahr. Und das Unkraut rund um die Sonnenblumen, Mohnblumen und die anderen Sommerstauden des Gartens zu beseitigen. Auch das Stammgerippe der Stechpalme habe ich endlich aus der Erde gehebelt. Schweren Herzens, wie ich auch vor einige Wochen nur schwer akzeptieren konnte, dass der Baum keine Chance mehr hat. Woran es lag, konnte ich auch nach der genauen Betrachtung des Wurzelstocks nicht erkennen. Teile des Splintholzes direkt unterhalb der Erdoberfläche waren zwar offensichtlich morsch. Aber die Vermutung, eine Wühlmaus könnte die Rinde im Wurzelbereich kreisrund abgefressen und dem Baum so den Nährstofftransport abgestellt haben, war so nicht zu identifizieren. So bleibt das Ganze ein Rätsel. Und der Garten hat einen markanten Baum weniger. Wir sind noch nicht sicher, ob er ersetzt werden soll.

Rückblickend lernen

Der Wechsel vom Tief- in den Hochdruck bekommt mir wesentlich besser als das Umgekehrte. So lebe ich bei der Rückkehr der Hochsommerphase richtig auf und kann die Bewegung in der Sonne ganz gut vertragen. Merkwürdig, dass dieser Sommer für mich eher von den Bäumen und anderen Pflanzen des Gartens und der unmittelbaren Umgebung geprägt ist. Die weitere Landschaft zieht mich in diesem Jahr weniger an. Die Arbeit mit verschiedenen Hölzern scheint in 2015 nicht gerade ihre Hochphase zu erleben, jedenfalls kann ich mich an wesentlich intensivere kunsthandwerkliche Auftragslagen erinnern. Wie immer ist auch dieser Eindruck bedeutungsvoll und lenkt die Aufmerksamkeit in andere sonst weniger im Fokus stehende Richtungen. Im Großen und Ganzen kann solche Abwechslung bereichernd sein. Am interessantesten ist das Verstehen des irgendwann im Rückblick erkannten Sinns. Wenn man alles immer schon im Augenblick des Erlebens verstehen würde, hätte das auf unser Lernen sicher ungeahnte und kaum vorstellbare Auswirkungen.