Outdoorfotografie und Jahreszeit

Meine neuesten Mohnblumenwiesenfotos haben es schon auf zahlreiche Postkarten im privaten Gebrauch geschafft. M. freut sich immer über die eigenen Motive mit jahreszeitlichem Bezug. Anders als in früheren Jahren versuche ich mich zunehmend nicht nur an den Bäumen und ihren jahreszeitenabhängigen Besonderheiten. Die Blumen, auch Landschaftsausschnitte, finde ich inzwischen ebenso spannend, auch weil sie das Bild kompletter machen, das wir uns selbst von den Jahreszeiten machen, in dem wir die Jahreszeiten als solche überhaupt wahrnehmen und unterscheiden, eben an den Details, die uns die verschiedenen Pflanzen je nach ihrem Zustand im Wachstumszyklus entgegenbringen. Dieses Nah-an-den Jahreszeiten-Dranbleiben ist vielleicht das stärkste Langzeitmotiv für meine Outdoorfotografie.

Baumobstspekulationen

Sollten wir dieses Jahr wirklich keine Maulbeeren ernten können. Ich muss V. noch einmal fragen, ob der Baum nicht doch noch Lebenszeichen zeigt. Das wäre eine Schande, so viel Mühe, wie ich mir dem Rückschnitt im Frühjahr gegeben habe. Und das Wetter war doch während der Blütezeit eigentlich auch optimal. Es ist mir insofern ein Rätsel, sollte der Baum ein zweites Mal in Folge keine Frucht tragen. Nachschub für die leckere Maulbeermarmelade könnten wir ganz gut gebrauchen, denn die geht nun doch allmählich aus. Und ob es von anderen Baumfrüchten dieses Jahr verwertbares Obst gibt, ist auch noch nicht ganz sicher. Ich hoffe ja immer noch auf die Mirabellen, die wir wenn nicht zu Marmelade, dann doch mindestens zu einer Reihe von Hefekuchen werden verarbeiten können.

Ein lieb gewonnener Wacholder

Der Kriechwacholder in seinem Sandsteintrog im Vorgarten ist immer einer meiner Lieblinge gewesen. Ich mag die Art ganz besonders, und die Symbolik, das „Wachhalten“ ist etwas, das ich für einen ständigen Haus- und Schutzbaum ganz eindrucksvoll finde. Dass er mit den Jahren auch vertrocknete Abschnitte ausbildet, ist nicht selten. Natürlich ist sein Wurzelwerk auch in der nur teilweise zwischenzeitlich ausgetauschten Erde ziemlich verzweigt, so dass es ihm wahrscheinlich nach tiefer gehender Erde dürstet. Aber mehr Volumen können wir ihm in diesem Trog nicht zur Verfügung stellen. Ms Wunsch, den Baum ganz zu entfernen und durch Blumen zu ersetzen wollte ich bisher noch nicht entsprechen. Wir haben die dürren Abschnitte zurückgeschnitten und ihne erst einmal an seinem alten Platz belassen. Ich hoffe, er wird sich etwas erneuern und die durch den Rückschnitt entstandenen Lücken wieder schließen können. Wenn er tatsächlich auch langfristig einen leidenden Eindruck machen sollte, können wir immer über eine Verpflanzung in den Garten nachdenken.

Freiluft- vs. Studiofotografie

Ein Einundzwanzigster, der seiner Symbolik eigentlich ganz gut entsprach, denn er verlief ruhig und entspannt. Allerdings hatte ich am Vortag schon eine Räumaktion gestartet, die mich auch an diesem Tag noch einige Zeit beanspruchte. Mit dieser längst überfälligen Aktion sollte ich für die nähere Zukunft aber für die Studiofotografie besser und flexibler gerüstet sein als zuletzt. Zusammen mit einer weiteren Hintergrundfläche, die in Kürze eintreffen wird, kann ich damit ein breiteres Spektrum an Aufnahmesituationen realisieren, die ein späteres Freistellen erfordern. Diese Form von Fotografie finde ich zunehmend spannend und beschäftigt mich auch zeitlich immer mehr. Eine Ergänzung und Erweiterung der Freiluftfotografie von Landschaft, Bäumen, Holz und Materialtexturen, die doch anderen Rahmenbedingungen unterliegt und auch eine andere Herangehensweise erfordert, v. a. das freihändige Fotografieren. Und wenn an Stelle des natürlichen Hintergrunds die künstlichen Leinwände treten, wird der Fokus automatisch auf die Motive selbst gelenkt, deren Eigenwert und -charakter damit eine außerordentliche Chance erhält.

Vorverlegte Honigsaison

Der Anfang des Sommers wird seinem Namen gerecht. Aber eigentlich hat er schon viel früher begonnen, wie überhaupt die Jahreszeiten deutlich vorverlegt zu sein scheinen. Eine Tendenz der letzten Jahre, die wohl auch auf die klimatischen Langzeitveränderungen zurückzuführen sind. Wir sehen das ganz deutlich an der Honigtracht, denn die typischen Blütenzeiten der honigträchtigen Pflanzen in unserer Region, die sich in der Reihenfolge Ahorn, Apfel, Weißdorn, Robinie, Brombeere und Esskastanie abwechseln oder auch teilweise überschneiden, sind allesamt mindestens einen Monat früher als etwa zur Zeit meiner Kindheit. Ich glaube mich zu erinnern, dass die Honigsaison damals bis mindestens Ende August, manchmal auch bis Anfang September dauerte. Heute ist sie spätestens Anfang bis Mitte Juli bereits beendet. Das macht sogar schon mehr als einen Monat aus. In diesem Jahr ist günstig, von dem ohnehin guten Ertrag abgesehen, dass sich die verschiedenen Blütezeiten kaum überschneiden. Das bringt dann mehr Ertrag von einer Baumart und hat den Nebeneffekt, dass überwiegend sortenreine Honigsorten gewonnen werden können. Wenn alles so stimmig zusammengeht wie in diesem Jahr und auch das große Sterben der Vorjahre nicht in dieser Form festgestellt werden musste, dann ist die Vorverlegung ganz gut zu verschmerzen. Aber große Verluste und ausgefallene Blüte wichtiger Arten sind natürliche eine Katastrophe, die sich in den Vorjahren gehäuft hatte. Wenigstens ist uns das in dieser menschlichen Krisenzeit als positive Entwicklung gegönnt.

Verquere Weltsicht zurechtrücken

Schön, dass passend zum Wochenende das Sommerwetter zurückkehrt. Das wird den Gemütern etwas Auftrieb geben und uns wieder mehr Zeit im Freien bescheren. Bei so viel Krisenatmosphäre und sich ständig überbietenden Negativprognosen für die wirtschaftliche Entwicklung ist das fast schon lebenswichtig geworden. Ich fürchte mich ein wenig davor, dass wir an der Krisenstimmung quasi Gefallen finden könnten. Denn Weltflüchte können eigentlich keine langfristige Lösung sein. So sehe ich das, was wir aus der Natur, dem Beobachten und uns Bewegen in der Landschaft, dem bewussten Verfolgen der Jahreszeiten im Spiegel der Bäume gewinnen können, nicht als Mittel der Selbstbetäubung und Selbstinszenierung. Vielmehr als eine Möglichkeit, die Dinge ganz klar und unverstellt zu betrachten und die oft verquere aus Kommunikation erwachsende Weltsicht zurechtzurücken.

Ein indirekter Blick auf die Bäume

Die Karten mit dem Blatt-Grün-Motiv der Robinienkronen sind gut gelungen. Ich hatte zwei verschiedene Varianten der Motivreihe für den Zweck ausgewählt, bei denen die Semitransparenz der vom Licht durchleuchteten Fiederblätter des Baums sehr schön zur Geltung kommt. M. meinte im Vergleich mit dem eindrücklichen Rot der Wiesenmohnblüten, die direkt daneben auf dem Tisch standen, die neuen Blattgrün-Motive hätten im ersten Moment eher eine melancholische Stimmung hervorgerufen. Auf den zweiten Blick aber wird doch deutlich, dass gerade das Gegenteil, nämlich der lichte, aufbauende, Leben spendende Aspekt darin besonders erkennbar wird. Es ist eben nicht so plakativ und knallig wie die Mohnblüten, lebt eher vom Charakter der Robinienblätter selbst als von ihrer Eigenschaft, das Licht durchzulassen und damit selbst in ganz anderem Licht als gewöhnlich da zu stehen. Dieser indirekte Blick auf die Bäume und ihre Details kann besonders reizvoll sein.

Chaotische Parallelen

Schon wieder wird es ungemütlich und fast kalt. Krasse Gegensätze mutet uns das Wetter zu, gerade jetzt im Juni, wenn eigentlich die angenehmsten – warmen, aber nicht zu heißen – Sommertage des Jahres zu erwarten wären. Aber mit der Erfüllung von Erwartungen kann man nicht mehr rechnen. Und so spiegelt sich im Außen das Chaos, das in den Köpfen der Menschen analog zu herrschen scheint. Und in beiden Bereichen ist eine Richtung nicht wirklich erkennbar. Unser frisch gesäter Rasen wird diese ungewöhnliche satte Feuchtigkeit zu schätzen wissen, wir haben das Gießen gespart und unsere Regenwasservorräte sollten inzwischen erneut aufgefüllt sein. Zwischenzeitlich kann ich mich mit den schönen Fotografien mit Motiven aus der frühsommerlichen Baumlandschaft trösten, die ich ausgewählt, bearbeitet und in einige schöne Grußkartenmotive verwandelt habe. M. wird sich darüber freuen, und vielleicht auch die Adressaten, die sich durch die Motive u. a. des lichtdurchfluteten Blätterdachs einer großen Robinie in den Sommer zurückversetzt fühlen dürften.

Durchgängige Erdung

Die Stillstandsatmosphäre baut sich täglich weiter aus. Dabei dachte man, es entsteht eine gegenläufige Stimmung, schon weil die Menschen der Krise überdrüssig sind. Aber es scheint, als ob man lieber die Krisenstimmung zur Tugend macht und in die Sommerferienzeit hinüberrettet. Eine Ferienzeit, in der Ferien unwahrscheinlicher und unangenehmer geworden sind als je zuvor. Ich freue mich, diese eigentlich merkwürdige Zeit für meine kreative Arbeit nutzen zu können. Und die Beobachtung der Bäume in der Zeit ihrer eindrücklichsten Vitalität verleiht dem eine durchgängige Erdung, die auch lang anhaltende Krisenstimmung ausgleichen kann.

Prächtiges Blumenwetter

Die Gartenbäume machen jetzt mal eine Pause. Es scheint, dass die Sommerblumen sich derzeit in den Vordergrund spielen und ihre Blüte zum Höhepunkt hin ausbilden. Passend zur bevorstehenden Sommersonnenwende sind fast alle unserer Blumen wunderbar gediehen. Nur die nach Beschreibung besonders attraktive Sorte hat sich trotz der Optimalbedingungen gar nicht weiterentwickelt. Vielleicht eine späte Sorte, wir sind da ziemlich ratlos. Aber die Feuchtigkeit in Kombination mit recht viel Sonnenschein ist für die Blumen ideal. Und die anderen Pflanzen können sich währenddessen ein wenig erholen, bis die ganz große Hitze und Trockenheit wieder zurückkommt.

Die Krise durchkreuzt sogar zeitlose Themen

Es ist jetzt schon spürbar, wie die Sommerferienzeit ihre ersten Anzeichen offenbart. Dabei waren die Menschen doch krisenbedingt seit Monaten im Auszeitmodus. Und doch scheint die traditionelle Idee einer Ferienzeit im Sommer wie eine Selbstverständlichkeit wiederzukehren. Gut daran ist die verhältnismäßig entspannte Atmosphäre für konzentriertes Arbeiten, die sich daraus ergibt. Mittelfristig schlecht scheint aber der mangelnde Mut für Neues, das Kontinuität ermöglicht. Sogar das Baumthema wirkt wie abwesend, von einem kurzen Aufflammen vor einigen Wochen zwar unterbrochen. Aber Themen außerhalb der Krise haben zurzeit scheinbar keine große Chance. Selbst die sonst zeitlose Baumsymbolik kann da aktuell nicht viel ausrichten.

Wenn der Flieder verblüht ist

J. und W. haben in diesem Jahr fast noch mehr Sommerblumen gesät und gepflanzt als wir. Auch ist ihre Vielfalt noch etwas größer. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass da jede Menge Arbeit drin steckt, ähnlich wie bei uns, wo die Gartenarbeit von Jahr zu Jahr mehr Zeit in Anspruch nimmt, aber auch als zunehmend als wertvoll empfunden wird. Ich freue mich, dem ohnehin üppigen und schön blühenden Angebot bei J. und W. noch einige Pflanzen hinzugefügt zu haben. Zwei schöne Rizinusstauden, die ich dort in die Erde gepflanzt habe, einen im Vorgarten und einen im Hinterhausgarten, an ziemlich sonnigen Plätzen, so dass sie sich gut entwickeln konnten. Und habe ich W. noch beim Zurückschneiden der beiden Fliederbäume geholfen. Die hatten zwar nicht allzu viele Blütenstände, die inzwischen verblüht waren. Aber sie ließen sich teilweise nur schwer erreichen, einige gewagte Leiteraktionen waren erforderlich, um alle Blüten und mit Ihnen die raumgreifenden Triebenden zu entfernen. So konnten wir die kosmetische Aktion mit dem Rückschnitt verbinden und verhindern, dass die kleinen Bäume zu hoch hinaus bzw. zu weit über den Zaun zum Nachbarn wachsen. Und wir hatten Glück. Die Gartenarbeiten waren ohne jeglichen Regen bei noch ganz gut verträglicher Temperatur und recht viel Sonne möglich. Ein schöner Gartenarbeits- und Besuchstag bei J. und W., der lange überfällig war.

Nadelholzrindenmulch gegen Bodenverdunstung

Nun habe ich auch noch die restlichen Flächen rund um unsere diesjährigen Stauden, die Sonnenblumen, die Rizinusstauden und niedrig wachsende Pflanze am Zaun, mit Rindenmulch ausgestreut. Dabei sind zwei weitere 70 kg Säcke verbraucht worden. Einen letzten Sack behalte ich auf Vorrat, da später an den Stellen, die jetzt noch von orange blühenden Mohnblüten übersät sind, ebenfalls der Rindenmulch wertvolle Dienste leisten wird, um zu viel Unkraut zu vermeiden. Aber das geht erst viel später, wenn die Stängel der Mohnblüten richtig eingetrocknet sind und wir sie über dem Boden abschneiden können. Ein Zusatzeffekt der Rindenmulchschicht wird es sein, dass weniger Regenwasser zum Gießen benötigt wird, weil die Erde nicht mehr so schnell auftrocknet. Gerade an lang anhaltend heißen und trockenen Tagen. Da nehmen wir den anfänglich sehr scharfen Geruch der Nadelholzrindenmischung gerne in Kauf. Irgendwann ist die auch verflogen, wenn der Mulch stärker eingetrocknet sein wird.

Heilende Wirkung in der Krise

Das Jahr rast so ungeheuer dahin, wie ich es noch nie zuvor wahrgenommen habe. Eine Beschleunigung der Zeit mit zunehmendem Lebensalter, diesen Eindruck haben viele und die subjektive Zeitwahrnehmung verändert sich wohl tatsächlich mit dem Alter. Aber über all die Krisenkommunikation haben wir tendenziell verpasst, den Lauf der Jahreszeiten richtig in uns aufzunehmen. Die huschten noch schneller an uns vorbei als gewöhnlich. Dabei sind gerade die Bäume in diesen Monaten ein wunderbarer Spiegel von Wachstums- und Entwicklungsprozessen, greifen immer weiter in den Raum, mit ihrem Blattgrün, den Formen von Blüten, Früchten und sich verstärkenden und verlängernden Zweigen. Ich hoffe, es gelingt mir, dass nicht nur in der Beobachtung angemessen zu würdigen, sondern es zudem als Gegenmittel bei zu viel krisenhafter Beanspruchung einzusetzen, mit hoffentlich heilender Wirkung.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.