Ein kleiner Wald aus Wunderbäumchen

Eigentlich sind es einjährige Stauden, zumindest in unseren Breiten, wo sie nicht so nicht baumartig groß und verholzt werden. Aber ausgewachsen wirken sie eben doch wie kleine Bäume. Deswegen ist der volkstümliche Name Wunderbaum für die Rizinusstaude nicht unpassend. Die Art fasziniert mich immer wieder, vor allem in ausgewachsener Gestalt, mit den riesigen Blättern, den filigranen, kompliziert aufgebauten Blüten- und Fruchtständen. Und auch die Samen haben mit der marmorierten Oberfläche etwas Eindrucksvolles. So setze ich jedes Frühjahr wieder neu eine Reihe von Samen des Vorjahres, um für den Hinterhausgarten einige neue Pflanzen heranzuziehen. Zunächst auf der Fensterbank. Dieses Jahr habe ich die Überraschung erlebt, dass fast alle gesetzten Samenkerne tatsächlich gekeimt haben. Möglicherweise liegt es an dem Pflanzraster mit den engen, aber tiefen Parzellen. Kann sein, dass die Feuchtigkeit darin die Kerne am schnellsten aufquellen lässt. Einfach toll finde ich, den Prozess zu beobachten, in dem die junge Pflanze ihren jungen Stängel inklusive Kronblättern aus dem Samenkern heraus auffaltet, immer so, dass sie einen Knick bildet – mit dem Stängel nach oben, dann wieder zurückgebogen, unter die Erde, um die Kronblätter dann in einem Kraftakt nach oben zu biegen, den Knick aufzuheben und sich fortan in der Vertikalen nach oben zu arbeiten. Spätestens dann sehen sie schon wie kleine Bäumchen aus.

Rizinuskeimlinge in Pflanzschale I
Rizinuskeimlinge in Pflanzschale II

Wenn die Apfelbäume blühen

Apfelbaumblüte 2021 I
Apfelbaumblüte 2021 II
Apfelbaumblüte 2021 III

Wir hatten Glück mit dem Wetter an diesem Maifeiertag, denn es war annähernd, wie man sich diesen Tag vorstellt, nur nicht ganz so sonnenreich. Aber es blieb trocken und das Licht reichte aus, um sich in der Landschaft zu bewegen und einige Baumblüten fotografisch festzuhalten. Zurzeit in voller Blüte stehen die Apfelbäume, worüber sich V. besonders freut, weil die den Frühlingslbütenhonig bereichert und den etwas früher kommenden Ahornblütenhonig ablöst. Der Weißdorn ist noch nicht ganz so weit, trägt bei den Sträuchern, die ich gesehen habe, dieses Jahr sehr viele Blütenknospen, die sich aber mit wenigen Ausnahmen noch nicht geöffnet haben. Auch die Traubenkirschen reflektieren in ihren weißen Blüten das Licht und verleihen dem ganzen Baum eine von Licht flirrende Anmutung. Aber die Apfelblüte ist doch aktuell am beeindruckendsten.

Sägearbeiten und 70 Jahre altes Apfelbaumholz

Es ist selbst für mich selten, dass ein ganzer Arbeitstag mit Sägearbeiten ausgefüllt ist. Am Vormittag haben wir das Brennholz für J. und W. kleingesägt und aufgestapelt und anschließend ebenfalls mit der großen Säge die halbierten Stammabschnitte des Apfelbaums in handlichere Dimensionen gesägt. Das war der Apfelbaum, an dem ich mir vor einigen Monaten die Armsehne verzerrt hatte, so schwer waren die mit der Kettensäge schon halbierten Stammstücke. Inzwischen etwas angetrocknet war das Gewicht geringfügig geringer. Aber zu zwei war das dann mit einiger Anstrengung zu machen. Anschließend habe ich diese grob gesägten Abschnitte mit der Präzisionskreissäge noch einmal begradigt, die noch enthaltenen Splintholzlagen entfernt auf Dimensionen gebracht, die für die Lufttrocknung vorteilhaft sind. Das war wie immer sehr zeitaufwändig, aber reizvoll. Tatsächlich gehört solches zu den Interessantesten Dingen, die ich kenne und deshalb auch schätze. Und es hat sich gelohnt, denn die etwa 70 Jahre alten Abschnitte – V. konnte sich noch daran erinnern, wann die Bäume auf der eigenen Streuobstwiese gepflanzt wurden – geben den typischen Charakter des Apfelbaumholzes sehr gut wieder, mit satt dunklen Rot-Braun-Tönen und bei einigen Abschnitten mit interessanter Streifung, z. T. mit fast schwarzen Längsstreifen. Das macht die Abschnitte besonders dekorativ und kam sehr schön zum Vorschein, als ich zum Abschluss der Arbeit und zur Vorbereitung auf kontrolliertes Trocknen an der Luft die Enden jeweils in mehrere Lagen Paraffin eingetaucht hatte – das langjährig bewährte Verfahren. Nach dem Trocknen geht’s dann in einigen Monaten weiter mit weiteren Begradigungen, bis irgendwann die Kanteln daraus werden, die ich für die Wunschbaum-Manufaktur benötige. Bei der beachtlichen Ausbeute sollte zumindest für die Holzart mein Bedarf an erstklassigem Material lebenslang gedeckt sein.

Apfelbaumholz - gewachste Abschnitte I
Apfelbaumholz - gewachste Abschnitte II

Farbtupfer auf Gelb-Grün

Die Aufmerksamkeit wird in diesen Wochen größer und die Bäume als Thema werden in diesen Frühlingstagen wieder wichtiger. So häufen sich die Medienberichte, Leserfotografien und privaten Gespräche mit Bezug zu den Bäumen. Wahrscheinlich weil der Frühling für viele sich erst mit der Baumblüte so richtig ins Bewusstsein hebt. Spätestens wenn die Apfelbäume blühen, die sich gerade ihrem Höhepunkt nähern, relativ später als sonst, wird der Baumfrühling und mit ihm der Frühling als Jahreszeit wieder flächendeckend bewusst. Und auch die weniger auf solches achten, wird es nicht verborgen bleiben, gleichgültig wo sie sich gerade bewegen, dass die Landschaft bunter wird, auch grüner natürlich, wenn Blätter und Blüten gleichermaßen zunehmen und sich ergänzen. Farbtupfer in Weiß, Rot oder Gelb auf zunächst Gelb-Grün und später Dunkel-Grün. Der Frühling wird mit diesen bunten Tupfern auf Gelb-Grün assoziiert. Gut, dass wir die Jahreszeiten haben, die uns vor allem durch die Bäume unterscheidbar sind. Es würde sonst etwas fehlen, das wir nur schwerlich kompensieren könnten.

Traubenkirschen und Apfelbäume blühen

Schade, dass ich beim Spaziergang heute die Kamera nicht dabeihatte. Die Traubenkirschen blühen zurzeit wie wild und sind gerade jetzt am frischesten und weißesten. Und auch die Apfelblüte ist auf ihrem Höhepunkt. Beide Blütenarten sind nicht leicht zu fotografieren, wegen der sehr feinen Weiß-Nuancen, die auch das beste Objektiv nur bedingt einfangen kann. Aber ich denke, es ist einen Versuch wert, denn die besten Aufnahmen dieser Blüten sind mir schon vor langer Zeit gelungen. Die letztjährigen Versuche waren zwar umfangreich, aber letztlich nicht ganz so überzeugend. Ich werde das richtige Licht, den richtigen Moment erwischen müssen. Das gehört zu den Dingen, die man nicht vollständig planen kann.

6000 Beiträge für das Baumtagebuch

Jetzt wird es doch unverhofft extrem techniklastig, womit ich in der Form nicht gerechnet hätte. Aber die Neuauflage eines eigentlich schon fast abgeschlossenen Projekts hat mich nun vollständig im Griff und stellt sich als größere Herausforderung heraus. So bin ich sehr gespannt, ob sich das in vernünftigem Zeitrahmen lösen lässt und mir genügend Zeit für die nicht-technischen Themen bleibt. Die Symbolarbeit soll nicht darunter leiden, handelt es sich doch dabei um das langfristig wirklich Wichtige, das ich gerne an der Baumsymbolik eng führe und das gerade ich solchen Konzentrationsphasen sehr gut geeignet ist, die Grundlagen im Blick zu behalten. Nun – es ist vielleicht eine statistische Randnote, zeigt aber doch den beachtlichen Umfang des Baumtagebuchs:

Dieser Eintrag ist der 6000. seit Start des Baumblogs am 20. November 2004.

Zögerlicher Baumfrühling

Die Baumlandschaft döst zurzeit vor sich hin, da ist keine wirklich energische Bewegung zu erkennen. Es hat wohl damit zu tun, dass einige Arten wie der Schlehdorn schon abgeblüht sind und die nächsten sich noch nicht richtig trauen. Auch der Spitz- und Feldahorn sind vorsichtig geblieben mit dem gleichzeitigen Auffalten ihrer Blätter und Blütenstände, vielleicht wegen der empfindlich kühlen Nächte. Ich denke, dass die Sonne und zunehmend auch die Wärme jetzt aber überhand nehmen und der Frühling sich erkennbar Bahn bricht.

Nur menschliche Tragik

Nach der intensiven Gartenarbeit war der Sonntag für uns ein willkommener Ruhetag, den wir auch in diesem Sinne genutzt haben. Die Baumlandschaft entgeht mir in dieser spannenden Vegetationsperiode dennoch nicht, da ich meist über die Mittagsstunden eine Runde drehe und dabei oft Eindrückliches auch fotografisch festhalte. So diente der Sonntag eher der Lektüre, der Reflexion und ein bisschen auch der Rekreation angesichts anstrengender Monate, die nun schon hinter uns und die gewiss auch noch vor uns liegen. Es ist tröstlich zu wissen, dass dies alles nur für uns diese besondere Tragik mit sich bringt, für andere Lebensformen wie die Bäume das Ganze dagegen an sich bedeutungslos oder vor außen betrachtet sogar erholsam ist.

Familientradition und Identität

Diese bei uns traditionell im Frühjahr stattfindende Rund-ums-Haus-Reinigung ist schon so etwas wie eine Familienspezialität. Auch wenn M. und V. sich zunehmend davor fürchten, weil es sie vermeintlich zu überlasten droht, ist die Durchführung letztlich doch etwas, das Identität stiftet und festigt. Es würde etwas fehlen, wenn wir darauf verzichten würden. Immerhin gab es diesmal keinen Doppeltermin, da die alle paar Jahre notwendige Reinigung der Überdachung im letzten Jahr schon auf dem Programm stand. Aber bis zum Nachmittag hat es dann doch wieder gedauert, eigentlich wie gewohnt. Und danach konnten wir auch die Sitzgarnituren herunterholen und mit Polstern belegen, den Garten harken, der vom Aufrichten des Regentanks gestern zertrampelt war, und verschiedene weitere Arbeiten durchführen, die unsere neue Gartensaison vorbereiten. Jetzt ist alles wieder so, dass wir die über den Sommer blühenden Zier- und Nutzpflanzen zu ihrer jeweiligen Zeit aussäen oder einpflanzen können und sich das Grünen und Blühen von Tag zu Tag weiter verdichtet. Die Bäume des Gartens scheinen bisher einen guten Start erwischt zu haben. Noch keine Blätter, aber die jungen Triebe scheinen frisch und von den zuletzt frostigen Nächten nicht geschädigt. So rechne ich mit einem guten Gartenbäume-Jahr, hoffentlich auch für die nicht mehr ganz so neuen Feigenbäume, die sich bisher nicht so richtig ausbreiten wollten. Mittlerweile sollten sie sich doch an ihren Standort gewöhnt und kräftiges Wurzelwerk ausgebildet haben. Wäre schön, wenn zumindest einer der beiden an den sehr wuchsfreudigen und stark Frucht tragenden Vorgänger herankäme.

Rund-ums-Haus-Frühjahrsputz

Zum Weiterverarbeiten meiner Apfelbaum-Abschnitte, die wir vor Wochen bereits auf der Streuobstwiese aus dem Stamm gesägt hatten, werde ich auch morgen noch nicht kommen. Das Projekt wird zusammen mit dem ersten Brennholzmachen für den kommenden Winter wohl auf das kommende Wochenende verschoben. So steht erst einmal die jährliche Rund-ums-Haus-Frühjahrssäuberung an. Mit Hochdruckreiniger und Besen geht’s dann an den Waschbeton, die gefliesten Pfade, die verschmutzten Pflanzkübel, die draußen über den Winter leicht angestaubte Gartensitzgarnitur und den unteren Abschnitt der Fassade, an der sich übers Jahr viel Sand und Sägestaub absetzt. Ich denke, wir sind froh, wenn wir das hinter uns haben, vor allem weil danach die Gartensaison richtig beginnen kann und wir uns wieder mehr draußen aufhalten können.

Weihnachtsbaum-Reminiszenz

Irgendetwas hat mich heute veranlasst, die Ergebnisse meiner weihnachtlichen Fotosessions erneut zu sichten und eine Auswahl zu bearbeiten. Damit hatte ich Anfang des Jahres begonnen, konnte den Prozess aber nicht abschließen. Nun war es mir wichtig, eine geeignete Auswahl von Weihnachtsmotiven für die diesjährige Saison so weit fertigzustellen, dass ich zum Anfang der Adventszeit nur noch eine engere Auswahl treffen muss. Eine der Glasweihnachtsbaumfiguren vor dem in abstrakter Unschärfe aufleuchtenden realen Weihnachtsbaum finde ich im zeitlichen Abstand besonders eindrücklich. Daneben sind aber noch eine Reihe weiterer Motive in meine engere Wahl gefallen, die sicher als neue Grußkartenmotive geeignet sind.

Weihnachtsbaum-Figur aus Glas vor erleuchtetem Weihnachtsbaum

Baummetamorphosen II

Die jahreszeitlichen Überlappungen im aktuellen Erscheinen der Bäume hat mich auch heute wieder beschäftigt. Beim Wildapfelbaum und beim Weißdorn sind es die mumifizierten Fruchtrelikte des Spätherbsts, die mit dem gleichzeitigen Aufbrechen der Blatt- und Blütenknospen zu sehen sind. Interessant ist, wie beides genau im gleichen Stadium angekommen ist, nur eben gegenläufig. Die denaturierten Früchte stehen kurz davor, sich endgültig von den Zweigen abzulösen, während die Blütenblätter kurz davor stehen sich zu öffnen. Eine wunderbare symbolträchtige Szenerie, wie ich finde, die angesichts des oft gestörten Rhythmus‘ im jahreszeitlichen Wechsel die Existenz der Jahreszeiten am konkreten Beispiel dennoch aufblitzen lässt.

Jahreszeitliche Baummetamorphosen (Wildapfelbaum)
Jahreszeitliche Baummetamorphosen (Weißdorn)

Jahreszeitliche Baummetamorphosen

Das ist gerade eine Übergangszeit, in der viele frühe Baumblüten schon wieder vergehen und andere Arten erst beginnen, ihre Blütenknospen zu öffnen. Immer wieder skurril finde ich, wie sich die Entwicklungsphasen der Bäume über lange Zeitphasen überschneiden können und dabei manchmal zwei Stationen überbrücken. Aufgefallen war mir das schon vor Tagen an manchen Wildapfelbäumen, deren kleine Äpfelchen wie schwarz verschrumpelte Kohlen an den Zweigen hängen. Der Winter und all der Regen und Frost konnte sie noch nicht von den Zweigen lösen, während sich neues Frühlingsgrün neben ihnen ausbreitet. So beobachte ich dasselbe heute bei den Schlehdornhecken, die immer noch fast mumifiziert wirkende Früchte vom Vorjahr in großer Zahl tragen, während ihre neue Blütephase schon wieder fast abgeschlossen ist. Das strahlt eine doppelte Morbidität aus und lässt das Vergehen in den Zwischenzeiten üppigen Frühlingswachstums immer wieder hervorscheinen, um bald schon wieder von reichem Blattgrün und neuen Früchten abgelöst zu werden. Bei den Heckenrosen sind es die eingeschrumpelten, dunkelrot bis schwarz gewordenen Hagebutten, die immer noch zu sehen sind, während sich die neuen Blätter schon breit machen. Es ist, wie wenn die Bäume und Sträucher mitten in der Weiterentwicklung die andere Seite der Auflösung mit sich tragen und das zwischendurch auch zeigen.

Jahreszeitliche Baummetamorphosen I (Schlehdorn)
Jahreszeitliche Baummetamorphosen II (Schlehdorn)
Jahreszeitliche Baummetamorphosen III (Heckenrose)
Jahreszeitliche Baummetamorphosen IV (Heckenrose)

Honigsaison als Mobilisierungschance

Für V. ist es eine wirkliche Mobilisierungschance, dass die Baumblüte unsere Bienenvölker zur Hochform antreibt. Auch wenn die Vor- und Nachbereitung der Honigernte zunehmend anstrengend wirkt, ist die Saison doch ein guter Grund, das Notwendige konsequent anzugehen und die eigene Begrenzung immer wieder auf Neue zu überwinden. Es ist eben ein Stück Biografie und auch ein wichtiges Element der Fremdwahrnehmung, das schon einen Unterschied macht. Und natürlich ist es noch viel mehr, schon weil die Bienen eine so essenzielle Rolle für die Bestäubung, das Pflanzenwachstum und damit das Erzeugen von Lebensmitteln spielen. So kann man schon sagen, dass jeder Imker eine gesamtgesellschaftlich wichtige Aufgabe wahrnimmt, deren Früchte uns allen zugutekommen. Auch deshalb wünsche ich mir, dass V. dieser Leidenschaft noch viele Jahre nachkommen kann.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.