Erholung und Trost durch die Bäume

Jetzt verfliegt die Zeit doch wieder schneller, auch wenn sich sonst stimmungsmäßig wenig verändert hat. Es naht die Fastnachtszeit, die auch diesmal von wenig Fastnachtsaktivität geprägt sein wird. Aber der Anlass ist noch im Bewusstsein und provoziert vielerorts Auszeitgedanken und Auszeitverhalten, das Projektarbeiten wiederum verlangsamt und nicht selten zum Stillstand bringt. Diese Atmosphäre wird so schnell nicht vergangen sein. Ich versuche, den mindestens symbolischen Kontakt zu den Bäumen, überhaupt zu den Pflanzen und ihrem zyklischen Werden und Vergehen nicht zu verlieren. Und ich finde gerade in diesem Kontakt, der manchmal nur gedanklich, in Form sekundenkurzer Seelenbilder oder Reflexionen aufblitzt, eine Form von Erholung und auch Trost, wenn sich drumherum so vieles immer wieder zu verändern scheint und mehr Unruhe und Ermüdung erzeugt, die uns schwächen.

Den zwecklosen Landschaftsaufenthalt dauerhaft pflegen

Das mit der Normalisierung geht schleichend, kaum merklich voran. Aber es scheint Anzeichen dafür zu geben, und Aussichten, dass wir im Sommer vielleicht wieder eine Art Normalität erleben dürfen. Wenn man davon überhaupt noch reden kann. Denn die Krise hat einiges verändert, vielleicht sogar die grundsätzliche Einstellung zu sozialen Kontakten, Veranstaltungen, Kulturprozessen. Ich fürchte, das wird nicht nur eine positive Umstimmung bedeuten, vieles ist schlicht auf der Strecke geblieben. Wenn eine eigentlich aus der Not geborene wieder stärkere Hinwendung zur eigenen natürlichen Umgebung, der Landschaft in fußläufiger Reichweite, zu den bleibenden Veränderungen gehörte, würde mich das freuen. Zuvor hatte ich den Eindruck, dieses sich Bewegen in der Landschaft sei quasi automatisch an einen Zweck gebunden, das Ausführen der Hunde, das Joggen oder Radfahren, das Gespräch auf der Rastbank u. v. a. Aber eben nicht um des Aufenthalts und der stillen Kontemplation wegen. Letzteres dürften einige jetzt für sich entdeckt haben und möglicherweise bewahren, häufiger bewusst praktizieren. Die bewusste Begegnung, das detaillierte Beobachten der Bäume und ihres jahreszeitlichen Vegetationszyklus wird für diese Menschen eine der wichtigsten Orientierungsmarken und Leitmotive in dem Zusammenhang sein.

Das grüne Leben der Bäume begreifbar machen

Wenn die Sonne über Stunden so schön durchbricht und bleibt wie heute, zieht es die Menschen förmlich in die Landschaft. So waren am frühen Nachmittag viele Menschen unterwegs, in spürbar gelassener Stimmung, die sie in sich wachsen lassen und auch ausstrahlen. So froh, dass wir solche Phasen im Spätwinter erleben dürfen, bevor das richtig ungemütliche Wetter, mit nasskalter Witterung und Sturm wieder zurückkommen. Eben das steht jetzt wohl in Kürze wieder bevor. Eine der für mich vorteilhaften Seiten solcher jahreszeitlichen Erscheinungen ist für mich, dass in solchen Phasen der Wunsch nach vegetabilem Leben wächst, der Wunsch, das neu aufkommende Pflanzenleben des Frühlings möglichst bald wieder wahrnehmen zu können. Und damit die Aufmerksamkeit auf die Bäume als die starken Lebenssymbole für uns Menschen. So registriere ich gerade seit den vorweihnachtlichen Wochen bis heute ein gewachsenes Interesse an den Produkten der Wunschbaum-Manufaktur, weil sie ganz physisch begreifbar das grüne Leben der Bäume, vermittelt über die Energie und Ästhetik ihres Holzes, vermitteln und die Interessenten dies auch glaubhaft finden und gerne in Anspruch nehmen. Eine Bestätigung für das erfolgreiche Weiterführen des langfristigen Projekts.

Sonnenlicht, Frühlingsahnung und seelische Gesundheit

Ein Lebensbaum und der Baumkreis haben mich auch heute Nachmittag wieder beschäftigt, bei einer Arbeit, die von länger anhaltendem Sonnenschein bei ziemlicher Kälte von draußen begleitet war. Das ist bei der Arbeit während des Winters im Kelleratelier immer sehr schön – wenn ein Hauch von Sonne und Frischluft von außen hereinströmt und die Ahnung des kommenden Frühlings mit seinem vegetabilen Aufbruch aufblitzen lässt. Das sind Momente und Eindrücke, welche die lähmende, unglaublich ermüdende Krisengestimmtheit und Lethargie vergessen lassen oder zumindest zeitweilig in den Hintergrund rücken. Und es sind Momente, die gerade wegen der überlastenden Krisenstimmung geradezu lebenswichtig geworden sind. Ich wünsche jedem, dass sich solche Momente regelmäßig einstellen können, um so die seelische Gesundheit zu erhalten.

Lebensläufe mit Formen untergründigen Gleichklangs

Der feierliche Abschied vom Vater eines Jugendfreunds war heute Anlass für autobiografische Rückblicke, für mich und auch für M. und V. Da stellt man Gemeinsamkeiten fest, zwar nicht zum ersten Mal, aber zum Anlass eben erneut, die einen gewissen Einfluss auf den eigenen Lebenslauf, die eigene Positionierung und allgemein die Einschätzung von Menschen und Kommunikationen haben. Und natürlich denke ich dann auch an eine vergleichbare Situation in Bezug auf mich selbst. Nicht wirklich überraschend, weil eigentlich aus der eigenen Lebenserfahrung bekannt, aber doch von Zeit zu Zeit stärker ins Bewusstsein tretend sind Gemeinsamkeit, in dem Fall mit der Verarbeitung eines Werkstoffs, dem handwerklichen Umgang mit Holz, die auf einer ganz speziellen, auf den ersten Blick abwegig erscheinenden Ebene, liegen und doch für die parallel sich entwickelnden Biografien und vielleicht auch für die kommunikative Beziehung Sinn machen. Ich halte es für wahrscheinlich, dass dieser Sinn, der zu Lebzeiten immer nur untergründig mitschwingt, in der Lebenszeit der Seele zwischen zwei Inkarnationen eine wichtige, wenn nicht die wichtigste Rolle spielt. Auch deshalb ist es wichtig, diesen Sinn zu Lebzeiten zu akzentuieren, wie mir das heute im Rahmen der Trauerfeier möglich war.

Die Krise und ein benötigter Ruck

Die Themen wiederholen sich in diesem dritten Jahr der Krise. Und mit ihnen die Einstellungen und Stimmungen, Reaktionen und Motivationen, die oft schon keine mehr sind, eher in Aussicht gestellte Absichten – für die Zeit nach der Krise. Problematisch ist das allerdings, wenn man auf etwas Zukünftiges setzt, dessen Terminierung ungewiss ist, und wenn so lang, jetzt schon viel zu lange, die Dinge stillstehen, festfrieren, ihre Substanz und Sinnhaftigkeit allmählich aber sicher verlieren. Was wir brauche, ist genau das, was einer der früheren Bundespräsidenten, Roman Herzog, einmal in anderem Zusammenhang formuliert hat: Einen Ruck, der aber nicht nur durch Deutschland, am besten durch die ganze Welt gehen sollte. Und wie so häufig: dieser Ruck kann nur das Ergebnis vieler einzelner Rucks sein, die in jedem von uns ihren Ausgang nehmen. Solche Schlüsse ziehe ich zurzeit vornehmlich während meiner kunsthandwerklichen Arbeit, wie heute Nachmittag wieder am Beispiel eines Baumkreis-Armbandes. Vielleicht sind solche Inselsituationen notwendig, wenn man zwischendurch mehr Klarheit benötigt, als der Krisenbewältigungsalltag ermöglicht.

Bleibender Sinn

Sehr umfangreiche Kommunikations- und Gestaltungsarbeiten lassen die Holzarbeit für einige Tage in den Hintergrund treten. Aber die nächsten Projekte stehen schon auf dem Plan, so dass es in Richtung Wochenende wieder eine Verschiebung in Richtung des Kunsthandwerks geben dürfte. Und dann haben mich wieder die Lebensbäume und das Baumkreiskonzept im Griff und fordern neue Aktualisierungen auf der Basis des gleichbleibenden Herstellungsprozesses. Die immer wechselnden Interessenten und ihre je individuellen Anfragen geben dem Projekt eine zeitlose Relevanz und bleibenden Sinn.

Krisenerfahrung und Sinnrekonstruktion

Überraschende autobiografische Rückblicke gehören zu diesen Tagen im Noch-Winter, der so viele lebensträchtige Ereignisse auf uns zukommen lässt. Da ist vieles dabei, was so noch nicht im Erfahrungsschatz verankert ist und für das wir neue Lösungen und Einstellungen entwickeln müssen. Aber das gehört wohl zum Älterwerden dazu und erweitert in gewisser Weise den Horizont, auch im Rückblick auf bereits Erlebtes. Ich freue mich, dass gerade in solchen Krisenzeiten, insbesondere in Zeiten persönlicher Krisen, Kommunikation um der Kommunikation willen wieder eher möglich ist. Und wenn dann noch das Gespräch auf die Bäume und ihre Lebenssymbolik kommt – wie so häufig in den letzten Wochen – dann ist das in besonderem Maße bestätigend und gibt mir ein gutes Stück Sinn zurück, der zuletzt zunehmend verloren zu gehen drohte.

Gesunder Ausgleich

Die Zeit scheint sich weiter zu beschleunigen. Jedenfalls scheint es so, als ob die Zeit des Tages nicht ausreicht, alles so zügig abzuarbeiten, wie mir das vorschwebt. Das ist sicher den Umständen, der konkreten Aufgabensituation zuzuschreiben. Aber es ist auch eine Frage der empfundenen inneren Zeit, die gerade schneller zu vorüberzugehen scheint als die der Uhr. So halte ich mich an die Gelegenheiten, dieses Projektarbeitszeit bzw. ihre Wahrnehmung zeitweilig zu durchbrechen und im Rhythmus der Bäume, vermittelt über ihre Symbolik und zeitlos individuelle Präsenz, einen gesunden Ausgleich zu schaffen.

In der Nähe zur Natur

Die Zeit fliegt dahin, einfach zu wenig Muße, um jedem einzelnen Arbeitsschritt die eigentlich notwendige Aufmerksamkeit zu widmen. Ich versuche, bei allem möglichst bewusst zu bleiben und zu extreme Einseitigkeiten zu vermeiden. Dennoch sind zumindest zeitweilige Konzentrationen einfach nicht zu umgehen. Das fordert kreatives Zeitmanagement in besonderer Weise, auch über den bisherigen Erfahrungshorizont hinaus. Mögen wir alle die Chancen erhalten, diese Herausforderungen auch annehmen zu können, mit genug körperlicher Stabilität und seelischem Ausgleich, den wir in der Nähe zur Natur finden können.

An den Rückschnitt der Bäume denken

Wenn die ersten Sonnenstrahlen nach Tagen der Trübnis durchdringen, denke ich in dieser Zeit des Jahres schon wieder daran, die Bäume zurückzuschneiden. In den letzten Jahren war es meist so, dass ich es aufgeschoben hatte und dann auf einmal der Frühling durchgebrochen war, mit den ersten neuen Blattknospen. Dann ist es eigentlich schon zu spät für den Rückschnitt. Deshalb nehme ich mir diesmal vor, diese Arbeit rechtzeitig abzuschließen, solange die Bäume noch nicht an die Wiederauferstehung denken. Und jetzt sieht man ja auch sehr schön, wo anzusetzen ist, da kein Blatt die bloße Astarchitektur der Gartenbäume verdeckt.

Ungemütlicher Winter und kunsthandwerkliche Abwechslung

Der Winter präsentiert sich von seiner unfreundlichsten und ungemütlichsten Seite. Da sind wir froh, dass der Brennholzvorrat noch eine Weile ausreicht und wir durchgehend den Holzbrandofen anfeuern können. Es gibt nicht viel, was dem an Aufmunterung gleichkommt. Und entsprechend sind die zarten Ansätze von Aufbruch auch in diesen Tagen wieder verpufft, verbunden mit einer bleiernen Kommunikationslosigkeit. Gut ist das fürs kreative Arbeiten und für Projekte, die Zeit und Geduld erfordern. Und morgen wird es mit dem Abschluss eines Armband-Projekts auch wieder kunsthandwerkliche Abwechslung im Kontext der Wunschbaum-Manufaktur geben.

Bestätigung und kommunikativer Sinn

Rückmeldungen sind für die Entwicklung der Wunschbaum-Manufaktur auch wichtig. Eine solche habe ich heute wieder erhalten, eine überaus positive zudem, was mir eine Bestätigung ist. Besonders wenn dem ein stimmiger Austausch im Vorfeld der Anfrage schon vorausging. Das zeigt, dass insgesamt in solchen Kommunikationen die Chemie gestimmt hat und der bestmögliche Sinn ins Leben gerufen werden konnte. Zufriedene Armbandträger, die wirklich etwas mit der Idee und ihrer Formung anfangen können, die es regelmäßig tragen und Freude daran haben. Besser kann es nicht sein. Ich freue mich sehr, dass ich seit Anfang des Jahres schon zahlreiche solche Chancen erhalten habe und dass das auch in dieser überwiegend so lähmenden Krisenzeit möglich ist.

Meditative Holzarbeit

Meditativ wirkt diese Holzarbeit gerade in der Winterzeit, wenn das warme künstliche Licht den Rücken wärmt und ich mich ganz diesen kleinen Perlen aus ganz unterschiedlichen Holzarten widmen kann. Dann bin ich ganz nah an der Persönlichkeit und der Energie der Bäume, von deren Holz die Perlen gemacht sind. Diesmal Atlas-Zeder und Ulme, zwei in ihrer jeweiligen Art eher exotische Arten, die auch im Holz spezielle Eigenschaften und Herausforderungen für die Bearbeitung mitbringen. Und es ist schön, bei der umfangreichen Erfahrung und Routine ziemlich genau vorhersagen zu können, wie lange der aktuelle Arbeitsschritt noch braucht, und wann das Armband fertiggestellt werden kann. Diese Berechenbarkeit ist wichtiges Element der meditativen Holzarbeit des Winters.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.