Lebensholz und Baumseele

Die Vorstellung, zu einer bis zu vorkeltischen Zeiten zurückreichenden Ahnenreihe zu gehören, ist an sich schon faszinierend. Das gilt besonders dann, wenn sich das mit dem Anspruch verbindet, einen exklusiven Zugang zu den Seelen der Bäume zu haben. Auf dieses Thema bin ich auf Umwegen jetzt wieder gestoßen. Vor über 15 Jahren ist es mir erstmals begegnet, auf der Suche nach Literatur und Ideen zum Lebensbaum-Begriff. Dabei ist mir auch der Begriff Lebens-Holz aufgefallen, der von den Dusty Millers aus England geprägt wurde und auf eine ursprüngliche Art der Kommunikation mit den Bäumen verweist. Schwer einzuschätzen sind solche Ideen bzw. Ansprüche, wenn Sie auf einem verbal geäußerten Anspruch aufbauen. Legitim ist es aber auf jeden Fall, sich z. B. in von diesen angebotenen Seminaren zu vergewissern, ob man als Nicht-Mitglied der Familie ebenfalls eine Resonanz verspürt oder aufbauen kann. Das wäre dann eine echte Erweiterung der Erfahrungsmöglichkeiten in Bezug auf das Individuelle der Bäume, das ich mir so gerne aus dem Blickwinkel der Symbolik betrachte.

Zäher Feigenbaum

Eigentlich wäre es heute der geeignetere Tag für die anstehende Holzarbeit gewesen. Aber es stand noch zu viel auf der Aufgabenliste, das vorab zu erledigen war. So werde ich morgen bei fast Frosttemperaturen die Außenarbeit angehen, allerdings nur für ein Objekt, das hält sich dann zeitlich in Grenzen. Auch V. zieht es zurzeit wenig nach draußen. Die wohltuende Ofenwärme der letzten Wochen hat uns da ein wenig verwöhnt, und überhaupt können wir jetzt den Winter auch nicht mehr vertragen, sind kopfmäßig schon auf das Frühjahr eingestellt. Mein Blick richtet sich unterdessen immer häufiger auf die Gartenbäume, die zurückgeschnitten werden müssen. Es ist vor allem der Feigenbaum, der diesmal besondere Herausforderungen stellt und bei dem ich noch keine richtige Idee habe. Sollen wir ihn vollständig zurückschneiden und nur die jungen Wurzelsprosse stehen lassen. Oder soll ich wiederum versuchen, eine Kronenform herauszuarbeiten, mit den noch einigermaßen gesunden Abschnitten. Das wird immer schwieriger, allerdings haben wir den Baum schon öfter totgesagt, woraufhin er einen unbändigen Lebenswillen demonstriert hat und reichlich Frucht trug. Wir werden abwarten müssen, wie weit das Durchhaltevermögen dieses Exoten noch reicht.

Ausgleichssituationen

Wahrscheinlich wird das wieder ein Holzarbeitswochenende. Eigentlich gut und wohltuend nach so viel Bildschirmaktivität, Texten und Gestalten auf anderem Gebiet. Die handwerklichen Arbeiten bringen da einen Ausgleich, der entspannend wirken kann, auch wenn sie zum Teil körperlich anstrengend wirken. Es ist diese Abwechslung oder auch das Vermeiden von Einseitigkeit, die vielleicht ein Schlüssel für gesundheitliche Stabilität und seelische Ausgeglichenheit ist. Jedenfalls in dem Bereich, den wir tatsächlich beeinflussen können. Keine Garantie, aber ein Baustein, der in unserer Hand liegt. Ich wünsche mir für alle, die diese Erfahrung ebenfalls gemacht haben, den Mut und die Konsequenz, solche Ausgleichssituationen immer wieder herstellen zu können.

Die natürliche Resonanz wiedergewinnen

Wieder einer dieser rastlosen Tage, die so gar nicht zu seinem offiziellen Charakter passt. Jedenfalls kann man sich den Beginn der Fastenzeit ruhiger vorstellen. Dagegen steht die Betriebsamkeit der Projekteabwicklung im krassen Gegensatz zur Unwirtlichkeit des Wetters und dem, was die Jahreszeit eigentlich in unsere Biologie einschreibt. Längst haben wir uns von diesem Leben in Anpassung an die natürlichen Verhältnisse abgekoppelt, folgen die Impulse und Aktivitätskurven einer ganz eigenen, selbst entwickelten, kommunikativ und kulturell gesteuerten Logik. Aber dadurch entstehen auch ungesunde Diskrepanzen und wahrscheinlich die eine oder andere Erkrankung. Ich versuche diese Kreisläufe immer wieder zu durchbrechen, mir das Ganze bewusst zu machen und damit das Einzelne zu relativieren. In der Beschäftigung mit dem grundlegenden Charakter der Bäume, genauer mit dem, was sie mit uns gemeinsam haben, gelingt mir das häufig, aber nicht immer. Es ist immer wieder eine Herausforderung, der ich mich im Trubel des Alltagsgeschäfts gerne stelle. Gerade weil ich die Notwendigkeit zu dieser wieder stärkeren Resonanz auf die natürliche Umwelt sehe.

Frühlingsspekulationen

V. und M. vergessen in den letzten Tagen immer wieder, Brennholz nachzulegen. Deshalb ist die Glut immer wieder fast erloschen. Ist das eine Art Vorahnung, dass der Winter nun bald dem Frühjahr weicht. Wenn ich heute hinausblicke, wage ich kaum daran zu denken, so ungemütlich geht diese Fastnachtszeit ihrem Ende entgegen. Schon eher ein Wetter für die Fastenzeit, aber eindeutig noch winterliche Züge tragend. V. hat am letzten Wochenende bereits seinen Nashi-Birnenbaum zurückgeschnitten. Das schien mir etwas früh, immerhin kann bis zum neuen Austrieb noch einiges passieren, inklusive empfindlicher Nachtfröste. Ich denke, für den Feigenbaum, ohne in seinem jetzigen Zustand ein richtiger Problemfall, und auch mit dem Maulbeerbaum werde ich noch einige Zeit abwarten. Am besten so lange, bis sich der Frühling spürbar ankündigt. Danach dauert es erfahrungsgemäß ohnehin noch einige Wochen, bis sich tatsächlich etwas in den frischen Knospen regt. Die meisten Arten sind da sehr vorsichtig und wagen das Knospen erst, wenn sie ziemlich sicher sind.

Ungewöhnliche Rosenmontage

Der wohl verregnetste Rosenmontag, an den ich mich erinnern kann. Dabei haben wir schon sehr häufig sonnige Rosenmontage erlebt. Einer, der mir genau in Erinnerung ist, gerade wegen seiner frühlingshaften Stimmung, ist aus dem Jahr 1996 – jetzt, da ich es schreibe, sehe ich, das sind schon ganze 20 Jahre her, unglaublich. Damals habe ich meine Ausstellung mit Holzskulpturen, die auch damals schon überwiegend Baumskulpturen waren, im Schlösschen abgebaut. Der Kulturabteilungsleiter meinte, das sei ungesund an einem Rosenmontag. Aber für mich war das eine eher meditative Arbeit, so ganz allein und in Ruhe die Skulpturen stoßsicher zu verpacken und abzutransportieren. Ich konnte dabei die schöne Ausstellung und ihre positiven Resonanzen ungestört rekapitulieren. Ein Kontrastprogramm zwar zum turbulenten Fastnachtstreiben, aber gerade deshalb so eindrücklich, dass es mir über zwei Jahrzehnte detailreich im Gedächtnis geblieben ist.

Mit Bäumen weite Bögen spannen

Das geheime Leben der Bäume beschäftigt mich immer noch. Das liegt nicht nur an dem spannenden Thema, sondern daran, dass mir für die Baumliteratur schon seit längerem wenig Zeit bleibt. So habe ich den Bestseller immer noch nicht durch, vielleicht aber bis zum Ende der Fastnachtszeit. An dieser Lektüre schätze ich vor allem die wohltuende Zeitlosigkeit, die von Themen dieser Art ausgeht. Da kann in der sonstige Welt passieren was will, die Bäume spannen mit ihrer Biologie, Geschichte und mit ihrem ganz speziellen Sozialleben, vor allem aber mit den vielen symbolischen Bezügen, die wir selbst im Zusammenleben mit ihnen entdecken und nahezu täglich aktualisieren, einen ganz weiten Bogen, der kurzfristige Entwicklungen überdeckt und eigentlich auch unabhängig von einem einzelnen Menschenleben ist. In diesen Bezügen kommt das Eigentümliche der Spezies und ihrer Arten im Verhältnis zu menschlicher Eigenart zum Ausdruck. Für uns immer wieder ein Anhaltspunkt für die Selbstspiegelung und Selbstvergewisserung.

Die Freude am Unerschöpflichen

Beim Streifzug durch unser Lieblingsgeschäft für Wohnaccessoires hätten wir beinahe ein kleines Bäumchen mit Glitzerzweigen und Glitzer-Boden mitgenommen. Bei solchen funkelnden Gestaltungen, besonders natürlich wenn es um Baumformen geht, kann ich eigentlich nicht widerstehen. Zumal es kein Weihnachtsbaum ist, sondern ein Baumsymbol allgemein, das zu allen Jahreszeiten Gültigkeit haben kann. Letztlich ist die Wahl aber dann doch auf eher österliche Dinge gefallen, dem bevorstehenden Fest geschuldet. Und auch das ist so ein Thema, bei dem sich für mich eine fast kindliche Faszination Raum schafft. Eine Form, wie ich finde, die Jahreszeiten mit ihren Festen bewusst wahrzunehmen und aktiv zu erleben, was sich immer auch an konkreten Formen festmacht. Ich freue mich, wenn es uns – immer wieder und immer noch – gelingt, die Freude am Durchdringen des ebenso Bekannten wie Unerschöpflichen zu pflegen.

Willkommene Ausnahme

Fast alle sind jetzt im Fastnachtsmodus, selbst die, die dem Thema wenig Begeisterung entgegen bringen. Einfach weil sie den Begeisterten begegnen und die sich eben in Ausnahmestimmung befinden. So ist es wie jedes Jahr um diese Zeit: Die Menschen nehmen die tollen Tage als willkommene Ausnahme wahr und freuen sich, dass die Routine einmal ausgesetzt werden kann. Ich finde diese Stillstandzeiten immer sehr anregend, weil man dann so gut beobachten kann. Das Interesse an der Symbolik der Bäume ist interessanterweise auch an solchen Tagen präsent, vielleicht weil man dann einmal Zeit und Muße hat, über Allgemeineres nachzudenken. Gleichzeitig merke ich, dass im Angesicht des Fastnachtstreibens in den Köpfen jetzt schon der Frühling präsent ist. Die Fastnacht quasi als Maßnahme zum Vertreiben des Winters aufgefasst wird. Das ist aber nur deshalb so schlüssig, weil wir diesen milden Winter erleben, der Gedanken an Frühling wahrscheinlicher macht als gewöhnlich Anfang Februar.

Veränderungen bei geölter Holzmöbeloberfläche

Nach einigen Wochen Benutzung kann ich feststellen, dass die Walnussbaum-Schreibtischplatte nicht ganz unempfindlich ist. Verschmutzungen konnte ich bisher nicht feststellen. Das war eine Sorge, da das Holz ausschließlich mit Öl behandelt ist. Aber wenn man es bei hellem Tageslicht oder bei künstlicher Beleuchtung von der Seite betrachtet, dann erkennt man schon erste Kratzspuren, vom Verschieben scharfkantiger Gegenstände herrührend. Das ist eben eine Begleiterscheinung vergleichsweise weicher Hölzer, wie es der Walnussbaum darstellt. Gerade bei dem feinen Oberflächenschliff ist das dann nicht zu vermeiden und ist bei dieser Art der Imprägnierung auch nicht von einer Schutzschicht abgefangen. Hinzu kommt, dass im Laufe der Wochen die natürlichen Unterschiede der verarbeiteten Bretter in punkto Farbe und Maserung noch stärker hervorgetreten sind. Anders bei dem in der Mitte eingefügten Abschnitt aus Birke, der härter und homogener ausfällt. Aber eigentlich gefällt mir das nicht schlecht. Natürlich ein Experiment, mit dieser fast naturbelassenen Holzoberfläche bei einem Gebrauchsmöbel. Aber wenn die Platte einmal wirkliche Gebrauchsspuren zeigt, wird sie authentischer wirken als andere Möbel. Dann wird sie die Anmutung haben, die ich mir ursprünglich vorgestellt habe, wie bei einem uralten verwitterten Möbel, das in seiner Art wie selbstverständlich wirkt, dem man seine Lebensgeschichte quasi ansieht und bei dem sich die Frage nach einer Oberflächenbehandlung gar nicht mehr stellt, da seine Oberfläche durch Alterung widerstandsfähig geworden ist.

Tannengrün adé

Die abgeschnittenen Zweige unseres Weihnachtsbaums waren bis jetzt noch als Wohnungsdekoration nutzbar. Eigentlich hätten sie auch noch länger gehalten, aber irgendwann ist die Stimmung der Weihnacht verflogen und im Angesicht der Fastnachtstage sind eben auch die letzten weihnachtlich anmutenden Dekorationen ausgemustert worden. Erstaunlich, welch gute Qualität dieser Baum hatte. Schon in seiner Funktion als Weihnachtsbaum hat er uns viel Freude gemacht, mit diesem Fliegengewicht – gemessen an der Größe geradezu unglaublich, dem schönen Astaufbau bis in die Spitze hinein und seiner dennoch voluminösen Anmutung. Zudem hat er kaum genadelt und bis auf den Anfang nur sehr wenig Wasser verdunstet. Vielleicht ist uns zugutegekommen, dass dieser Baum nach Aussage des Händlers eigentlich nicht als Weihnachtsbaum gepflanzt worden war. Er wuchs vielmehr wild zwischen den Weihnachtsbäumen und hat gewissermaßen gestört. Das hat mir einen sehr günstigen Preis eingebracht und einen sehr schönen Baum, der so manchem für den Zweck gepflanzten Weihnachtsbaum den Rang abgelaufen haben dürfte.

Winterklischees pflegen

Viel handwerkliche Arbeit an diesem verregneten Spätwintertag. Zunächst als Assistent sozusagen beim Installateur, dessen Arbeitszeit sich auf diese Weise erheblich reduziert hat. Und am Nachmittag in eigener Sache mit dem Holz der Linde, des Apfelbaums, des Kirschbaums und der Stechpalme. Viele Routine, aber bei solchem Wetter eigentlich genau das Richtige. Und wieder stelle ich fest, dass wir mit dem Ofen gerade jetzt viel Freude haben. Es lässt die Nässe draußen vergessen und konserviert uns noch eine Weile das Klischee winterlicher Herdwärme. Auch der Rest der Woche wird im Zeichen handwerklicher Arbeit liegen, im konkreten wie im übertragenen Sinne. Bis dann die Auszeit der Fastnacht kommt, während der die Uhren erfahrungsgemäß ganz anders ticken.

Noch ein bisschen Winter

Unser Ofen schluckt trotz des eher milden Klimas ganz schön viel Brennholz. Dieses Material, überwiegend von unseren eigenen Fichten stammend und sehr, sehr trocken, brennt aber auch wie Zunder. Da benötigt man sehr viel mehr Masse als bei den typischen, ergiebigeren Brennholzsorten. Aber das mag der Ofen und die Wärme ist heimelig. Insofern tut es mir jetzt schon leid, wenn wir im Frühjahr die Ofenbrandsaison wieder beenden. Vielleicht ja auch schon im Laufe des Rest-Winters, wenn es sich konstant in diesen Temperaturbereichen halten sollte. Nur M. freut sich, da kein Ofen auch weniger Reinigungsaufwand bedeutet. Und V., weil er sich am Morgen das Anfeuern spart. Na ja, ein bisschen Winterkälte geht schon noch. Im Kopf ist ohnehin schon Frühling.

Kondensierte Lebenskraft

Wenig Licht zum Ende dieses Januars, aber immer noch mehr als im selben Monat des Vorjahres. So können wir die Sonnenbilanz doch überwiegend positiv beurteilen. In Kombination mit den vergleichsweise milden Temperaturen ein Monat, der eher ins frühe Frühjahr passt, oder in eine Übergangszeit zwischen Winter und Frühjahr. Die Holzofenwärme aus den gut abgelagerten Fichtenscheiten tut uns dennoch gut. Schließlich wird man durch so viel Wettermilde auch verwöhnt, dann erscheinen relative milde Witterung doch unangenehm, wenn der Wind tatsächlich einmal scharf bläst und an manchen Tagen kein Sonnenstrahl durchringt. Mit den Schnee- und Rekordfrostwintern manchen Vorjahres hat das allerdings nichts zu tun. Ich bin froh, diese Ungereimtheiten in der Art, wie sich die Jahreszeiten präsentieren durch meine Arbeiten mit der Baumsymbolik ein gutes Stück kompensieren zu können. Denn die Lebenssymbolik kann bei jedem Wetter hervorgeholt und begreifbar gemacht werden. So können auch andere von der gewissermaßen kondensierten Lebenskraft der Bäume auch in lichtarmen Zeiten profitieren.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.