Vitalisierte Gartenbäume

Die erste Sonnenblume ist schon umgeknickt. Nicht nur geneigt, was nach heftigen Regenfällen in den letzten Wochen öfter vorkam. Es lag vielmehr am Gewicht des Blütenkopfes, des schönsten, den wir bisher hatten, der schon verblüht war. Leider hatten die seitlich sprießenden Nebenblüten damit keine Chance mehr. Trotz der vielen Sonne sind die Blüten in diesem Sommer überwiegend kleiner ausgewachsen. Die Stauden werden zwar teils riesig hoch, haben aber auch bei den mächtigsten Exemplaren relativ kleine Blütenköpfe. Eine merkwürdige Besonderheit dieses Blumenhochsommers. So wie auch die Bananenstauden einfach nicht, oder jedenfalls kaum, wachsen wollen. Nicht nur bei uns,, das hat uns auch ein Bekannter von sich bestätigt, und J., die im Vorjahr die schönste von uns erhalten hat, die sich aber auch nicht wirklich weiterentwickelt hat. Dafür ist das Jahr ein gutes für die Feigenbäume, die Walnussbäum, den Ginkgo, überhaupt für alle kleinen oder größeren Bäume unseres Gartens. Die Hitze hat diesen jedenfalls nicht geschadet, scheint sie eher vitalisiert zu haben.

Anregende Ausnahmetage

Das soll der heißeste Tag dieses Jahres gewesen sein. Überhaupt beschweren sich immer mehr Menschen um mich herum über die Hitze, auch solche, von denen ich immer dachte, sie seien unempfindlich. Merkwürdigerweise habe ich mich schon ganz gut an diese Phase gewöhnt. Und unangenehmer als in den letzten Wochen fand ich es in den beiden letzten Tagen auch nicht. Im Gegenteil nehme ich diesen Ausnahmehochsommer als etwas Anregendes wahr. Oder als eine Art Auszeit, wie M. es heute formuliert hat. Eine weitere Zusatz-Jahreszeit, neben der gewohnten fünften Jahreszeit Weihnachten. Während dieser heißen Tage gestaltet sich mein Arbeitstag abwechslungsreich und extrem ausgefüllt, ganz anders als n den beiden Vorjahren. Und mit dabei sind immer größere Anteile von Arbeit mit Holz, wie auch am späten Nachmittag heute wieder. Auch die folgenden Tage werden damit ergänzt werden, so dass ich diesen Sommer sicherlich in mehrfacher Hinsicht in Erinnerung behalten werde als einen, der die Dinge in Bewegung gehalten und gebracht hat.

Achtsamkeit und Beobachtungsfortschritte

V. hat die Errungenschaft des gestrigen Marktes noch nicht entdeckt. Wir haben die Tonne extra im Garten neben der alten platziert, um zu sehen, ob sie auffällt. Ein kleines Spiel, das zeigt, wie blind man gegenüber der eigenen vertrauten Umgebung ist. Mir passiert das auch immer wieder, dass mir auf einmal Details und Strukturen ins Auge fallen, die mir bis dahin nie bewusst geworden waren. Und das in der lebensweltlichen Umgebung. Schon erstaunlich, vor allem, weil ich denke, nicht gerade unbewusst durch den Alltag zu gehen. Aber natürlich kann man darin besser werden, versuchen, noch bewusster jede einzelne Handlung und Beobachtung zu verfolgen, einfach besser in der Selbstbeobachtung beim Beobachten zu werden. Die Beobachtung der Bäume ist dafür eine gute Übung. Es geht aber darum, das auf alle Lebensbereiche auszudehnen und möglichst zum Prinzip zu machen. Wenn ich einen Wunsch habe, dann auf diesem Gebiet weitere Fortschritte zu machen.

Markt zwischen Erlebnis und Entdeckung

Der Trödelmarkt war bei strahlendem Sommerwetter, aber mit erfrischendem Wind, wieder ein Erlebnis. Wir hatten ihn vermisst, nachdem im letzten Jahr fast alle Marktbesuche ausfallen mussten. Dieser hat im Laufe der Jahrzehnte an Attraktivität eher noch hinzugewonnen. So bin ich froh, mit M. dieses Erlebnis teilen zu können. Es sind natürlich auch die bekannten und manchmal noch unbekannten Menschen, die den Reiz dieses entspannten Schlenderns inmitten von Trödel und Antikem ausmacht. Ich mache dabei immer so eine Art Sehnsucht nach einer traditionellen, fast schon völlig verschwundenen Öffentlichkeit aus, die sich so kaum woanders noch finden lässt. Das ist wahrscheinlich das Geheimnis hinter der Beliebtheit. Und den kleiner Weiher herum, meist von einer Seite abgeschattet durch die Bäume des Parks, ist das Gehen selbst dort etwas Erholsames. So hoffe ich sehr, dass uns auch die nächsten schönen Märkte Anfang und Ende September vergönnt sein werden. Mit oder ohne einen interessanten Fund, wie die heute entdeckte Abfalltonne von 1900.

Verwendungen und Motivationen bei symbolischen Formen

Ein sehr langer Arbeitssamstag, aber am Ende des Tages bin ich sehr froh, das Projekt heute schon abgeschlossen zu haben. Das nächste gleichartige wartet nämlich schon Anfang der Woche. Diesmal eine Anknüpfung an 2015, was von einer gewissen Zufriedenheit zeugt und mir wieder bestätigt, dass die Arbeiten und Erzeugnisse der Wunschbaum-Manufaktur eine besondere emotionale Qualität bergen, die mir als Bestätigung dient und das Projekt langfristig frisch, abwechslungsreich und lebendig hält. Es ist eben nicht nur die Auswahl von über 40 heimischen Holzarten und deren symbolischen Werte, es sind immer auch zahlreichen, immer wieder anderen Verwendungen, Motivationen, gedanklichen Verbindungen und persönlichen Geschichten, die dazu gehören, ohne die es in dieser Form auch nicht denkbar wäre. Die Aufträge dieser Jahres sind in der Hinsicht fast schon repräsentativ.

Der Reiz des Abweichenden

Der geplante Besuch bei J. und W. wird nun doch wieder verschoben. Die Hitze ist schon außerordentlich, vor allem weil sie so selten lange anhält. So viele Tage über 35 Grad, das ist man selbst in Zeiten häufiger werdender Wetterextreme so nicht gewöhnt. Allerdings kann ich schon eine gewisse Gewöhnung feststellen, nur darf man es eben nicht übertreiben. So reduzieren wir die Aufenthalte in praller Sonne und versuchen das Aggressive der Sonnenstrahlen möglichst fernzuhalten, mit den üblichen Mitteln, wie Jalousien schon morgens weit herunter lassen und Sitzen oder Stehen in eher schattigen Plätzen. Den Abschluss heute hat wieder einmal die Arbeit mit Holz ausgefüllt, die trotz den Staubs und des viele Schweißes im Hochsommer einfach wunderbar ist. Und mit den Ergebnissen geht’s morgen weiter: Zypresse, wieder einmal, und Walnussbaum, dessen Vorräte ich demnächst auffüllen muss, weil auch die Art ungewöhnlich häufig nachgefragt wurde. Das Schöne daran ist vor allem, im Konstanten die Abweichungen und jeweiligen Besonderheiten zu erkennen und dieses in die Arbeit und ihre Ergebnisse einfließen zu lassen.

Die Mauser der Unscheinbaren

Eine Holzarbeit abgeschlossen stehen die nächsten schon kurz bevor. Ich hoffe, noch morgen mit dem ersten Arbeitsgang beginnen zu können. Bestimmte Arten wiederholen und häufen sich in letzter Zeit: Pappel, Walnussbaum, Zypresse, Tanne gehören zu denen, die jetzt häufiger angefragt wurden. Die Arbeit an diesen vermeintlich einfachen Hölzern finde ich besonders reizvoll. Und immer wieder stelle ich fest, wie besonders gerade die sonst unauffälligen Holzarten sein können, wenn sie zu diesen winzigen Perlen verarbeitet sind. Gerade die Pappel und die Bergfichte sind gute Beispiele dafür.

Ein sympathischer Vogel

Der aktuelle Aufmerksamkeitslenker in der Nachbarschaft sind nicht die Hunde oder Katzen, auch nicht die noch so schönen Blumen oder Stauden. Jedem, der uns besucht, fällt Alice auf, die so genannte Elster, die unsere Nachbarn aufgezogen haben und die zutraulicher und neugieriger ist als „normale“ Elstern. Sie hat einen weiten Radius rund um ihr Stammhaus und gibt sich unermüdlich. Der Vogel ist ein Phänomen, scheint an allem und jedem interessiert und begeistert eigentlich jeden. Natürlich, Vögel gehören zu den großen Archetypen, den ewigen Symbolen, die niemand vollständig fassen kann und die einen emotional berühren. Bei einem so menschenfreundlichen Tier ist diese Wirkung umso deutlicher. Mich hat er heute im Arbeitszimmer durch die Fensterscheibe gesichtet und ist aufgeregt auf der Fensterbank hin- und hergelaufen. Da er nicht hinein kam, orientiert er sich kurzerhand an den teils schon reifen Weintrauben, die als Einzelportion gerade so in seinen Schnabel passen. Wie er überhaupt an allem Süßen, z. B. den Rosinen, die M. ihm schon mal gegeben hat, sehr interessiert zu sein scheint. Schön, wieder einen Vogel als neuen Nachbarn zu haben. Vor Jahren nahm diese Rolle, auch über den Sommer unsere Felix benannte Amsel ein, die unseren Garten über ein halbes Jahr zu ihrem Revier erklärt hatte. Deren Gesang habe ich noch als Tondatei gespeichert. Eine schöne Erinnerung.

Profiteure der Sonne

Jetzt dürfte die Sonnenstundenbilanz im Vergleich zum Vorjahr nahezu ausgeglichen sein. Bin gespannt, wie der restliche Teil des Jahres in der Hinsicht verläuft. Schließlich bedeutet Hitze nicht unbedingt viel Sonnenstrahlung, wie wir immer wieder feststellen. Immerhin in diesem Monat ist beides aber als Einheit aufgetreten. Unsere Weintrauben reifen gemessen an den Idealbedingungen merkwürdig langsam. Ich hatte mir dafür ein rasantes Tempo vorgestellt. Abe noch immer sind sie zur Hälfte grün und scheinen noch weit weg von ihrer Vollreife. Mag sein, dass es an ihrem nicht gerade einer Weinberglage vergleichbaren Standort liegt. Aber letztlich sollte die Qualität bei ohnehin schon länger nicht mehr berauschenden Ertrag besser als im Durchschnitt werden. Das sagen alle voraus, die sich mit dem Thema beschäftigen. Ich hoffe aber, dass es auch mal wieder regnet, damit auch die Menge vernünftig wird.

Gartenbaumgleichgewichte

Nun könnte es doch noch einer der sonnenreichsten Monate seit ca. 8 Jahren werden. Sicher nicht der lichtreichste dieser Sommermonate, aber vielleicht der an zweiter Stelle steht. Das ist schon erstaunlich, da Hitze eigentlich die Leistung der Sonnenstromgewinnung verringert. Aber wenn es diese Konstanz an Lichtstunden gibt, ist der Durchschnitt dann doch beachtlich. Ich freue mich, da die erste Jahreshälfte größtenteils sehr durchwachsen ausgefallen war und ich das jetzt als willkommenen Ausgleich betrachte. Wie S. mir vorhin erzählte leiden seine Feigenbäumchen unter der Hitze sehr. Das liegt daran, dass sie in Töpfe gepflanzt sind, in denen sich das Gießwasser nicht so gut speichert. Und natürlich fehlen diesen Bäumen auch die weit reichenden und tiefer führenden Wurzeln, die so manche Durststrecke ausgleichen können. Insofern bin ich froh, dass wir den Versuch mit dem Neuanfang der beiden Feigenbäumchen gewagt haben, mit einem festen Pflanzort im Garten, den sie sich langsam, aber sich zunehmend wohl fühlender für sich einrichten. Und mit ihnen verändern sich auch das Gartenambiente und das Gleichgewicht der Gartenbewohner insgesamt. Auch weil der Buchsbaum in einer Ecke des Gartens durch die notwendigen Rückschnitte jetzt so reduziert werden musste und auf der gegenüberliegenden Ecke die Stechpalme ganz weggefallen ist. Damit haben die neuen eine veränderte Chance.

Tückische Klimaangleichung

Bestimmt wird die Statistik am Ende dieses Sommers neue Rekorde verzeichnen. Zum Beispiel für den Sommer oder gar das Jahr mit dem höchsten Temperaturdurchschnitt, mit den meisten Sonnenstunden, mit den geringsten Niederschlägen. Auch bei uns ist die Trockenheit ausgeprägt, nicht so schlimm wie in manchen Regionen des Ostens, wo es seit dem Frühjahr keinen Niederschlag mehr gegeben haben soll. Aber von allem Belastenden, das mit solchen Verhältnissen verbunden sein kann, ist es doch eine spannende und in Erinnerung bleibende Ausnahmeerfahrung, die ihren ganz eigenen Reiz mit sich bringt. Und die zu ganz ungewohnten Erkenntnissen führt. Zum Beispiel, dass es sich kaum noch lohnt, nach Sizilien zu fahren, weil die Sommer dort kaum heißer sein können, wie uns eine aus Sizilien stammende Bekannte mitgeteilt hat. Fast schon mediterranes Klima begegnet uns zumindest in manchen Phasen des Jahres. Bisher haben die Bäume dem noch ganz gut standhalten können. Ich hoffe aber, die Extreme werden nicht zur festen Regel, da das langfristig dann doch empfindlich schaden kann. Wie während mancher Hitze- und Dürreperioden, die den Wald nachhaltig geschädigt haben, auch in Deutschland. Das Tückische ist, dass diese Schäden immer erst im Folgejahr sichtbar werden und dann oft Jahre der Regeneration erfordern.

Sonnenstürmer

Es war gut, die Schleifarbeiten auf den kühleren Vormittag zu legen. Die erste leichte Abkühlung seit vielen Tagen, bevor am Nachmittag die Temperatur wieder anzog. Ich genießen den Sommer aber trotzdem, und mit mir die meisten Menschen, denen ich begegne. Es hat etwas Auszeitartiges, das irgendwie guttut. Tatsächlich fühlen sich die Sonnenblumen bei so heißen Temperaturen und meist auch wolkenlosem Himmel am wohlsten. Einige der zahlreichen am Rand des Garten gesäten bzw. später gepflanzten Exemplare sind jetzt erst richtig aufgeblüht und haben schon stattliche Höhen erreicht. Da haben sich streckenweise richtige Wände aus Sonnenblumen gebildet. Leider mit in diesem Jahr eher kleinen Blütenköpfen. Schön sind sie trotzdem. Der Höherekord gegenüber den gewaltigen King Kong Sonnenblumen des Vorjahres muss es nicht unbedingt werden. Aber zumindest eine von denen hat durchaus die Chance, sehr hoch zu wachsen. Die Saison ist noch lange nicht zu Ende, so freue ich mich auf noch zahlreiche Sonnenblumenwochen und die etwas zeitversetzten Hochzeiten der Rizinusstauden. Auch die Strohblumen werden noch lange halten und immer wieder neue Blüten bilden. Das späteste Gewächs unserer Auswahl werden wieder die Chilis sein, die jetzt erst blühen und erst viel später die Schoten, wie immer ganz langsam, wachsen lassen werden. Und unseren mediterranen Arten, den Bananenstauden, den Feigenbäumen und der Gleditschien kann es ohnehin nicht warm und hell genug sein.

Symbolische Baumaktivitäten

Ein Superhitzetag. Aber dennoch, trotz eines nur ganz kurzen Spaziergangs durchs Dorf bei brütender Sonnenstrahlung mit einer Möglichkeit, eine neues zeitgenössisches Baumgedicht zu illustrieren und zu veröffentlichen. Es ist schön, wenn in Abwesenheit der realen Bäume immer wieder ihre symbolisch Repräsentanz zum Thema wird und die Bilder vergangener Baumfotografien mir neue Anregungen geben, die so nur im Hochsommer möglich sind.

Ausgewogene Hochsommerarbeit mit Schongang

An solchen Ausnahmetagen sei es erlaubt, die Arbeiten einmal etwas länger zu strecken. Normalerweise hätte ich mit der Holzarbeit weitergemacht. Aber bei den Temperaturen habe ich die Vormittagskühle, wenn man so sagen kann, genutzt und mich am Nachmittag der anderen Projektarbeit gewidmet. Aber auch diese Arbeit kann an einem Tag abgeschlossen werden. Gut, dass dann erst einmal eine kleine Pause eintritt. Insgesamt gefällt mir die Verteilung in diesen Sommermonaten sehr gut. Eine gute Abwechslung zwischen konzeptionellen Tätigkeiten, technischen Aufgaben und der handwerklichen Arbeit, vor allem mit verschiedenen Hölzern.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.