Vom bewussten Miterleben der Jahreszeiten

Ziemlich schwül war dieser Tag. Dabei fing alles sehr moderat an, mit angenehmer Wärme bei wenig Bewölkung. Die Messe zu Mariä Himmelfahrt fand dann zur schönsten Stunde des Tages vor Mittag statt. Den gesegneten Strauß habe ich natürlich gleich aufgehängt. Und der zweite ist für J. und W. reserviert. Die beiden Sträuße waren natürlich die schönsten, allerdings habe ich auch nur wenige Besucher gesichtet, die überhaupt einen Blumen- oder Kräuterstrauß bei sich trugen. Schade, wieder eine Tradition, die droht in Vergessenheit zu geraten, obwohl sie in der Messe angesprochen und mit dem Segen begleitet wird. Am Nachmittag eine leider nur kurze Lektüre des vierten Vortrag Rudolf Steiners über den Wechsel der Jahreszeiten und seine geistigen Bedeutungen. Es war der spannendste der bisher gelesenen, den ich sicher noch einmal durchgehen werde, weil er meine eigene Wahrnehmung und Faszination bei der Beobachtung natürlicher Prozesse im Zusammenhang mit dem Wachsen, Grünen, Blühen und Fruchten der Bäume und übrigen Pflanzen in ein ganz ungewohntes, für mich sehr aufschlussreiches Licht rückt. Ich habe das Gefühl, mit meinen Wunschbaumprojekten genau dieses beständig zu thematisieren, nämlich eine bei vorgeschichtlichen Menschengenerationen einmal vorhanden gewesene traumhafte Verbindung mit den natürlichen Prozessen der Pflanzenwelt, die mit dem Ausbau einer Ich-Identität und wachsender Intellektualisierung zunehmend verloren gegangen war. Es ist Steiners Wunsch und Forderung, dieses Verschüttete durch Geisteswissenschaft wieder reaktivieren. Damit die Natur als nichts bloß Äußerliches wahrgenommen wird, sondern wir wieder lernen, ein Stück weit das Erleben der Pflanzen mitzuleben. Das ist umso faszinierender, als wir uns solches kaum noch vorstellen können. Ich meine aber, dass das bewusste und genaue Hinsehen auf Details uns diese Fähigkeit in unserer modernen Verfasstheit wieder zurückbringen kann.