Verschiebungen

Bei den sehr heftigen Regenfällen, die die sonnigen Abschnitte unterbrechen, lassen die meisten Bäume ihr Herbstlaub und die rutschige nass-kalte Jahreszeit beginnt. Viel zu wenig hatten wir für meinen Geschmack von diesem Herbst, ich beobachte auch im Wechsel vom Sommer zum Herbst und vom Herbst zum Winter diese merkwürdige Undeutlichkeit, die in den Jahren meiner Kindheit so nicht bestand. Man kann sich einfach nicht mehr darauf verlassen, dass die einzelnen Jahreszeiten deutlich voneinander getrennt und während ihres Verlaufs einigermaßen konstant sind. Da sind frühlingshafte Momente im Herbst, sommerliche Elemente im Frühling und frühlingshafte Phasen im Winter zu beobachten. Und man hat den Eindruck, dass sich die Breitengrade unmerklich verschoben hätten. Insgesamt bedauere ich das. Die größere Abwechslung des ,,neuen Wetters“ kann die atmosphärischen und symbolischen Stärken identifizierbarer Jahreszeiten nicht ausgleichen. Ich glaube, durch die klimatischen Veränderungen gehen allmählich wichtige kulturelle Charakteristika verloren, schwindet der Sinn für die Verbindung von Traditionen, Ritualen und Bräuchen mit jahreszeitlichen Differenzen in der Natur. Dass sich die Baumpopulationen unserer Wälder damit gleichzeitig verschieben in Richtung von Arten, die höhere Durchschnittstemperaturen und heftigere Klimasprünge besser vertragen, ist dabei nur eine Erscheinung der ersten Beobachtungsebene. Wirklich einschneidend werden die Auswirkungen sein, die diese Veränderungen im Denken, der Wahrnehmung und im kulturellen Ausdruck der Menschen hinterlässt.