Baumleidenschaften

Im Google Alert ,,Bäume“ habe ich heute zwei interessante Links gefunden: Einen Artikel in der Neuen Westfälischen über den zeitgenössischen Komponisten Krzysztof Penderecki und einen Artikel in der Südostbayerischen Rundschau über den Gartenbauingenieur und Hopfenkenner Thomas Janscheck, der auch als Buchautor kreativ ist. Ich finde es schön zu sehen, dass es auch andere Menschen gibt, die, obwohl einem inhaltlich anders ausgerichteten Hauptberuf folgend, sich dennoch intensiv mit den Bäumen beschäftigen. Nach dem ersten Artikel sind Bäume Pendereckis große Leidenschaft neben der Musik. Da bleibt es nicht aus, dass sich beides durchdringt. So schreibt er etwa gerade an einem Liedwerk über Bäume. Und so komponiert er häufig in seinem Landhaus, umgeben von 30 Hektar Baumlandschaft mit ca. 1.500 Baumarten, wobei ihn, wie er sagt, vor allem die Jahreszeiten, weniger die einzelnen Bäume beim Komponieren beeinflussen. Da kann man wirklich ins schwärmen kommen. So viele eigene Bäume und eine so wunderbare Verbindung von Beruf und privater Leidenschaft! Den Artikel von Sepp Bernauer über die Arbeit Thomas Janscheks erlaube ich mir an dieser Stelle vollständig wiederzugeben, da er, wie ich meine, einen für journalistische Verhältnisse sehr schönen Überblick über das weite Feld der Baumsymbolik bzw. die Verbindung von Mensch und Baum gibt:

,,Laufen: Von Friedenslinden uns Siegeseichen 23.02.2005
Laufen. Diesmal hatte die Laufener Alpenvereins-Sektion keinen Bergspezialisten bei ihrer Monatsversammlung zu Gast. Der Gartenbauingenieur und Hopfenkenner Thomas Janscheck entführte die zahlreichen Zuhörer in die Welt der Mythologie, in die Welt der Bäume mit ihren Märchen, Bräuchen und wundersamen Begebenheiten. „Von Baum zu Baum“, so hatte der Referent schlicht seinen Vortrag angekündigt.

Thomas Janscheck bot einen außergewöhnlichen Vortrag, mit viel Engagement und Sachverstand dargebracht. Dabei zitierte er Weltmänner und Geistesgrößen wie Alexander von Humboldt: „Habt Ehrfurcht vor dem Baum. Er ist ein einziges großes Wunder und euren Vorfahren war er heilig. Die Feindschaft gegen den Baum ist ein Zeichen der Minderwertigkeit eines Volkes und niederer Gesinnung des Einzelnen“. Und der große Heilige Bernhard von Clairvaux schrieb einst: „Du wirst mehr in den Wäldern finden als in Büchern. Die Bäume werden dich Dinge lehren, die dir kein Mensch sagen wird“.

Bereits über 100 „Baumgeschichten“ sammelte Janscheck aus unserem Alpenvorland. All diese Geschichten geben Zeugnis über die vielfältigen Beziehungsformen des Menschen zum Baum. Vor Jahren hat er eine Diplomarbeit über dieses Thema geschrieben, das ihn seitdem nicht mehr loslässt. Schon seit Anbeginn der Menschheit steht der Mensch voller Hochachtung vor besonderen Bäumen, vor gewaltigen Baumriesen, achtet und ehrt Gedenk- und Jubiläumsbäume. Der Wertstoff Holz begleitet ihn von der Wiege bis zur Bahre.
Die Beziehung des Menschen zum Lebewesen Baum ist uralt, scheint laut Janscheck aber heutzutage gestört. Es ist noch gar nicht so lange her, dass der Baum auch in unseren Breiten ein geachteter Begleiter des Menschen war und nicht nur als seelenlose Nutzpflanze angesehen wird. In den uns umgeben- den Bäumen schlummert ein gewisser Zauber. War der Baum als Gerichtsbaum einst Anlaufpunkt zum Schlichten, so stellt er laut Janscheck heute oft selbst den Anstoß des Streites dar. Die Bäume sind zum Problem in unserer dicht besiedelten Wohnfläche geworden. Unzählige erwürdige Bäume und ganze Alleezüge mussten in den vergangenen Jahrzehnten ihr Leben lassen. Das Ausmaß dieser Fällungen kann als Gradmesser des hektischen Tempos und der Naturentfremdung unserer Zeit gesehen werden.

Schon jetzt kann die junge Generation die einzelnen Autotypen besser auseinander halten als unsere heimischen Baumarten. Thomas Janscheck verstand es hervorragend, seine aufmerksamen Zuhörer mitzunehmen auf eine faszinierende Reise in die geheimnisvolle Mythologie der Bäume. Zahlreiche Geschichten gab er zum Besten, allesamt erfasst in seinem zum Radwandern gedachten Buch.

Einige wenige davon: die „Galgenlinde von Oberaudorf`, die Tassilolinde auf der Fraueninsel, die Franzosenlinde von Albaching, die Herrgottseiche von Aibling, der Buchenwald von Baumburg, die Mozarteiche von Seeon, die Siegeseiche von Ising, die Friedenslinde von Tettelham, der legendäre Birnbaum von Maria Mühlberg bei Waging und – wer kennt nicht die kürzlich durch Sturm gestürzte Kaiserbuche auf dem Haunsberg? All diesen spannenden, gruseligen oder auch amüsanten Geschichten liegen meist Moritaten, oft aber auch wahre Begebenheiten zugrunde. Viele Nationen und Kulturen sind mit „ihren“ Bäumen tief verwurzelt und verwachsen. Dabei steht so manche Baumart geradezu als nationales Symbol. Und obwohl die Eiche seit jeher stark im Bewusstsein der Deutschen verankert ist, erinnerte sich der Deutsche Bundestag an die „linden“ deutschen Wurzeln und erkor zur Feier der Deutschen Einheit die Linde zum Symbolbaum der Deutschen.

Weitere Ausführungen Janschecks: „Jeder Baum ist ein Abbild des Friedens und ein Sinnbild des Beständigen. Ein Bewahrer von Zeit und Raum. Vielleicht passt er deshalb so wenig in unseren heutigen „Zeitgeist“. Vielleicht kann der Mensch aber auch seine Gegenwart unterbewusst nicht mehr ertragen, weil er uns an Größe und Alter überragt. Im Laufe eines Baumlebens ist ein Menschendasein nur eine Episode. Wer heute einen Baum pflanzt, denkt für Enkel und Urenkel und nicht für sein eigenes Auskommen im Hier und Jetzt. Bäume zu pflanzen heißt, für eine Zeit nach uns zu sorgen. Ein solches Handeln setzt ein Bewusstsein voraus, das über das eigene Leben und Sterben hinaus geht“.

Schon zu allen Zeiten pflanzten Menschen bei einer Geburt einen Baum, tanzten in Frühlingslaune um den Maibaum oder versammelten sich in Freundschaft um die Dorflinde. Sogar die Kinder der heutigen Tage toben mit Begeisterung beim Spiel auf ihren Baumhäusern.

Der große Franz von Assisi dankte dem Schöpfer in seinem Sonnengesang für dessen Mutter Erde mit ihrer Vielfalt der Formen und Bäume. Der große deutsche Dichter und Essayist Hermann Hesse schreibt beispielsweise: „Bäume sind Heiligtümer. Wer mit ihnen zu sprechen vermag und ihnen zuzuhören weiß, der ernährt die Wahrheit. Sie predigen nicht Lehren und Rezepte, sie predigen das Urgesetz des Lebens“.

Tagtäglich begegnet uns das Mysterium Baum. Sei es als Firstbaum beim Hausbau, als „Stammbaum“ bei der Familienchronik. Bereits die Bibel spricht von einem „Baum der Erkenntnis“ („Baum des Lebens“), die Germanen verehrten ihre „Wodans-Eiche“ und hielten unter alten Linden Gericht. Diese Thinglinden waren der Göttin Freya geweiht. Bei den Germanen war sie die Göttin der Gerechtigkeit und der Freiheit. Der Libanon ist bekannt für seine einzigartigen Zedern und wer hat nicht schon gestaunt über die übermächtig großen Mammutbäume Nordamerikas oder über die berühmten 2000-jährigen Urlärchen des Südtiroler Ultentales? Wer hat als Junge nicht schon mal mit einer selbst gebauten Wünschelrute aus dem Haselstrauch nach einer Wasserader gesucht?
Auch in der Psychoanalyse bedient man sich erfolgreich durch Zeichnen eines Baumes bei der Heilung seelisch bedingter Krankheiten. Laut Janscheck kann eine knorrige Eiche bis zu 1000 Jahre alt werden. Mit ihrer dicken Borke kann sie sogar Waldbrände überstehen. Die Stadt Venedig wurde auf tausenden von Eichenstelzen errichtet. Vor über 1.000 Jahren glaubten die Menschen in Mittel- und Nordeuropa, dass der gesamte Kosmos von der riesigen Weltenesche Yggdrasil zusammen gehalten würde. Um die Weltenesche kreisten Sonne und Mond und in ihrem Wipfel thront Gott Odin.

1. Vorsitzender Hannes Höfer bedankte sich sehr herzlich für den ausgezeichneten Vortrag. Der Referent bat, das Mitgeschöpf Baum nicht nur vom Kosten/Nutzen-Effekt aus zu betrachten, sondern seine Baumgeschichten auf zehn Radtouren, wie in seinem Buch beschrieben, in den Landkreisen Rosenheim und Traunstein zu „erfahren“ und zu erleben mit einem Lied auf den Lippen: “ Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum!“.

Sepp Bernauer“